15 Jahre Freie Software
von Richard StallmanEs sind nun etwas mehr als 15 Jahre seit Beginn der Freie-Software-Bewegung und dem GNU-Projekt vergangen. Wir haben einen langen Weg zurückgelegt.
Im Jahr 1984 war es unmöglich, einen modernen Rechner zu benutzen, ohne ein proprietäres Betriebssystem zu installieren, welches man nur mit einer beschränkenden Lizenz erhalten konnte. Niemand durfte Software frei mit anderen Rechnernutzern gemeinsam nutzen, und kaum jemand war in der Lage, die Software den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Die Eigentümer der Software hatten Mauern errichtet, um uns voneinander zu trennen.
Das GNU-Projekt wurde gegründet, um all das zu ändern. Das erste Ziel: ein unixkompatibles, portables Betriebssystem entwickeln, das 100%ig freie Software sein würde. Nicht 95%ig, nicht 99,5%ig, sondern 100%ig – damit Nutzer frei sein würden, das gesamte System weiterzuvertreiben, zu ändern und daran mitzuarbeiten. Der Name des Systems, GNU, ist ein rekursives Akronym für GNU’s Nicht Unix ‚GNU’s Not Unix‘ – eine Art Hommage an Unix, während zum anderen klar gemacht wird, dass GNU etwas anders ist. Technisch gesehen ist GNU wie Unix. Aber im Gegensatz zu Unix gibt GNU seinen Nutzern Freiheit.
Es dauerte viele Jahre der Arbeit, durch Hunderte von ProgrammiererInnen, dieses Betriebssystem zu entwickeln. Einige wurden von der Free Software Foundation und Freie-Software-Unternehmen bezahlt; die meisten waren Freiwillige. Einige wenige wurden berühmt; die meisten wurden vor allem innerhalb ihres Berufsstands, durch andere Hacker, die ihren Quellcode verwenden oder daran arbeiten, bekannt. Alle zusammen haben dazu beigetragen, das Potenzial des Rechnernetzes für die gesamte Menschheit zu befreien.
Im Jahr 1991 wurde die letzte große wesentliche Komponente eines unixartigen Systems entwickelt: Linux, der von Linus Torvalds geschriebene freie Betriebssystemkern. Heutzutage wird die Kombination von GNU und Linux von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt genutzt, und seine Beliebtheit wächst. Diesen Monat haben wir die Veröffentlichung der Version 1.0 von GNOME, der grafischen Benutzeroberfläche von GNU, angekündigt, die hoffentlich die Bedienung des GNU/Linux-Systems so einfach machen wird, wie die jedes anderen Betriebssystems.
Aber unser Freiheit ist nicht dauerhaft gesichert. Die Welt steht nicht still, und wir können nicht damit rechnen, diese Freiheit auch noch in fünf Jahren zu haben, nur weil es heute so ist. Freie Software steht vor schwierigen Herausforderungen und Gefahren. Es bedarf zielgerichteter Anstrengungen, um unsere Freiheit zu bewahren, genauso wie es dauerte, die Freiheit in erster Linie zu erzielen. Mittlerweile ist das Betriebssystem nur der Anfang – nun müssen wir freie Anwendungen hinzufügen, um die gesamte Palette an Aufgaben abzudecken, die Nutzer erledigen möchten.
In zukünftigen Beiträgen werde ich über die genauen Herausforderungen, vor denen die Freie-Software-Gemeinschaft steht, und andere Fragen, die die Freiheit der Rechnernutzer ebenso wie die Entwicklungen, die das GNU/Linux-Betriebssystem beeinflussen, schreiben.